Tauchgang zur Donnerkuppel

Am Jahresanfang hatten wir die Gelegenheit, ein außergewöhnliches Objekt am Grund des Bodensees zu erkunden. Eine spannende Reise auf 100 Meter zu einem nicht ganz alltäglichen Tauchziel... 

Kann man den von Offshore-Windparks auf hoher See erzeugten Strom vor Ort speichern? Diese Frage stellten sich vor wenigen Jahren Forscher aus Kassel. Als Ergebnis präsentierten sie das Konzept vom Energiespeicher tief unter der Meeresoberfläche (Projekt: STENSEA).

 

Ein Prototyp eines solchen Speicherkraftwerks wurde im Dezember 2016 im Bodensee für umfangreiche Versuche auf rund 100 m Tiefe versenkt. Nach Abschluss der Tests sollte der Prototyp nach einem Monat wieder gehoben werden. Die Bergung des Objektes musste allerdings aufgrund unerwarteter Probleme abgebrochen werden. Für uns Anlass genug, den Dingen einmal "auf den Grund" zu gehen...

Der Plan

Nach eingehenden Recherchen und Planungen stand unser Entschluss für einen Tauchgang zum STENSEA-Prototypen fest. Anhand der gesammelten Informationen, planten wir eine Grundzeit von 15 Minuten auf 105 m Tiefe (die Angaben zu Lage und Tiefe des Objektes variierten - wie so oft - je nach Quelle). Da das Ziel zirka 250 Meter vom Ufer entfern lag und über weite Strecken am Grund angetaucht werden musste, schien ein Scootereinsatz sinnvoll. Für den Aufstieg wurden vier Gaswechsel eingeplant, davon mindestens zwei ohne Sichtreferenz im Freiwasser. Zu berücksichtigen waren zudem die um diese Jahreszeit noch sehr kalten Wassertemperaturen, insbesondere auch in den flachen, langen Deko-Stops. Diese Parameter vor Augen, machten wir uns an die Planung und Vorbereitung des Tauchgangs. Eine Woche später befanden wir uns bereits mit unserer Ausrüstung vor Ort im Wasser und waren bereit für den Abstieg.

Der Tauchgang

Nach den obligatorischen Checks tauchten wir am Nordufer des Bodensees vor Überlingen ab. Zunächst folgten wir einer steilen Halde bis auf eine Tiefe von etwa 21 m. Hier bricht der Abhang an einer Kante auf seiner gesamten Länge abrupt ab und geht in eine senkrechte Steilwand aus Molassefels über. Wir drehten in diesen Abgrund ein und ließen uns im Freiwasser zügig Richtung Seegrund ziehen. Schon  bald verblassten die letzten Sonnenstrahlen und uns umfing absolute Dunkelheit. Im Lichtstrahl der Lampen schossen weiße Schwebeteilchen an uns vorbei und sorgten für bizarre Effekte, ähnlich einem nächtlichen Schneetreiben im Winter. Bereits nach rund zwei Minuten erreichten wir bei zirka 80 m den Seegrund. Das Terrain fällt an dieser Stelle nur noch sehr langsam ab. Bis zur geplanten Zieltiefe von 105 m lag also noch ein weiter Weg vor uns. Nach einem kurzen Check der Ausrüstung und Gase nahmen wir diese letzte Etappe in Angriff.

Das Ziel in Sicht

Nach konzentrierter Grundfahrt mit hoher Geschwindigkeit, lösten sich bereits in rund 100 m Tiefe schemenhafte Umrisse aus dem Dunkel. Um eine Kollision zu vermeiden, reduzierten wir die Leistung unseres Scooters und bauten Geschwindigkeit ab. Langsam erahnten wir vor uns die mattgrauen Wände des Speicherkraftwerks. Aufrecht stehend ragte der runde Druckkörper aus Stahlbeton in den See und bot uns einen beeindruckenden Anblick. Am oberen Ende befand sich ein silbern glänzender Metallaufbau zum Schutz der äußeren Mechanik.

Schäden und Dokumentation

Bereits bei der Annäherung bemerkten wir hier deutliche Verformungen. Massive Stahlketten, mit denen das Bauwerk in einem Hilfsrahmen auf den Seegrund hinabgelassen wurde, schienen das Schutzgitter auf de Oberseite deformiert und zum Teil durchbrochen zu haben. Teile der Aufbauten schienen von enormen Kräften verbogen worden zu sein. Ein Gewirr aus Kabeln und Schläuchen hing von der Konstruktion herab und verlor sich auf dem Seegrund.

 

Durch die Lage des Bauwerks auf nur rund 100 m, befanden wir uns sicher innerhalb der Parameter unserer Gas- und Dekompressionsplanung. Nach einem kurzen Check nutzten wir die gesamte Grundzeit, um das Schadensbild im Detail videografisch zu dokumentieren. Bei einer rund 40 cm breiten Verformung gelang uns ein Vordringen unter das Schutzgitter des Energiespeichers und wir filmten die äußeren Armaturen und Anbauten.

Zurück zur Oberfläche

Nach 15 Minuten Grundzeit begannen wir mit dem Aufstieg. Zügig lösten wir uns vom Objekt und stiegen senkrecht zum ersten Deepstop auf. Vor uns lagen rund zwei Stunden Dekompression bei durchgehend 4°C Wassertemperatur. Nach zwei Gaswechseln im Freiwasser erreichten wir bei etwa 27 m wieder die Steilwand des nördlichen Bodenseeufers. Den dritten und vierten Gaswechsel konnten wir bereits bequem mit Sichtreferenz über Grund durchführen. Nach insgesamt mehr als 130 Minuten waren wir dann zurück an der Wasseroberfläche. Zufrieden mit dem Tauchgang und den erreichten Zielen, schmiedeten wir Pläne für weitere Exkursionen.

© Alex Demmelmayr

E-Mail: alex@blackwaterdivers.de

Anmerkungen:

- Der Tauchgang wurde OC durchgeführt.

- Die Videodokumentation wurde der mit der Hebung beauftragten Firma in ungeschnittener Originalfassung zur Verfügung gestellt.

Nachtrag: Zwischenzeitlich wurde das Speicherkraftwerk erfolgreich geborgen - damit sind Tauchgänge an diesem Spot leider nicht mehr möglich.